Eine Orangerie beherbergt für gewöhnlich exotischere Pflanzen und lässt diese auch bei kühlen Außentemperaturen sicher gedeihen. Das niedersächsische Startup-Zentrum Orangery hilft auch beim digitalen Wachsen – und zwar Gründenden und etablierten Unternehmen. Ein Geschäftsmodell, das floriert und anderen dabei hilft – und den Standort Niedersachsen nachhaltig stärkt.

Als Sebastian und Dominik Groenen 2010 zum ersten Mal einen Schritt in die Selbstständigkeit wagen und eine Firma gründen, gibt es den Startup-Hype in Deutschland noch nicht. Die Brüder finden kaum Unterstützung und Anlaufstellen, die sich ihre Idee wirklich anhören – ganz zu schweigen von Finanzierungsmöglichkeiten. „Wir waren völlig auf uns gestellt und letztlich ging es schief“, gibt Sebastian offen zu. Doch im Nachhinein war das vielleicht gar nicht so schlecht. Sie erkennen, dass es zu wenig Unterstützung gibt für Menschen mit innovativen Ideen, dass das notwendige Netzwerk oftmals fehlt. In Berlin erleben sie dann mit, wie ein immer größeres Startup-Ökosystem wächst, sind selbst bei Firmengründungen dabei und fassen letztlich den Entschluss: Auch kleine Regionen in Deutschland brauchen eine solche Startup-Kultur und Anlaufstellen, die Gründenden besonders in der Anfangszeit unter die Arme greifen. Hildesheim ist eine solche Region. Dominik, den es mittlerweile aufgrund von Frau und Familie dorthin verschlagen hat, erkennt sofort, wie viel Potenzial in der niedersächsischen Region steckt. 2017 finden daher erste Gespräche mit Vertretern und Vertreterinnen der Politik aus Hildesheim statt. Und diese zeigen sich begeistert – vermutlich auch, weil Dominik anders argumentiert und auftritt als Vertreter*innen der Wirtschaftsförderung. Im April 2018 starten Dominik und Sebastian dann einen zweiten Versuch und gründen die The Orangery GmbH – und dieses Mal mit Erfolg.

Ein nährreicher Boden, um Wuzeln auszubilden

Aber was genau macht die Orangery? „Wir arbeiten im Grunde in drei Bereichen“, erklärt Sebastian. „Einerseits sind wir Anlaufstelle für Menschen mit Gründungsideen. Das heißt, wir geben Starthilfe, damit die Gründenden auch ins Machen kommen, den Konjunktiv in ihrem Vokabular reduzieren, ihre Ideen aufs Papier bringen und sich vernetzen.“ Sebastian und Dominik verfügen über ein großes Netzwerk an Kontakten, können Anlaufstellen nennen, Workshops vermitteln und ermutigen Gründende dazu, auf Investorentagen ihre Ideen zu präsentieren. Denn: Ein Markteintritt hängt zu großen Teilen vom Vorhandensein von genügend Kapital ab. Doch auch etablierte Unternehmen finden Unterstützung: „Heute müssen Unternehmen digital am Ball bleiben – das ist für viele eine große Herausforderung“, weiß Sebastian. In der Orangery werden sie an die Hand genommen – besonders von Jakob Klement, dem dritten Gründer im Bunde. Der hat erst vor kurzem Abitur gemacht, ist aber ein Profi, was IT-Fragen und Apps angeht. „Unternehmen erhalten von ihm wertvolle Tipps. Jakob steuert beispielsweise die nötige Unterstützung bei technischen Fragen und der Umsetzung von App-Ideen bei.“ Immer gefragter sind außerdem Coworking Spaces. 2019 entstand so zum Beispiel der erste Coworking Space der Region in Hildesheim. Die Orangery verwaltet und vermietet die flexiblen Arbeitsplätze. „Ziel ist es, Unternehmen in der Region zu halten – ihnen verschiedene Möglichkeiten zu bieten, ihr Business zu führen“, so Dominik. „Wir müssen dafür sorgen, dass beispielsweise auch Startups ohne festes Büro in der Stadt bleiben und dort vor allem ein gut funktionierendes und inspirierendes Umfeld vorfinden.“

Das Bild zeigt einen Coworking-Space der Orangery von innen.
Viel Raum für innovative Ideen: Bald gibt es fünf Coworking-Spaces der Orangery in Niedersachsen. (Bild: Orangery)

„Es ist viel Learning-by-Doing!“

Mittlerweile ist die Coworking-Option in Hildesheim ausgebucht. Das war nicht von Anfang an so. „Als wir im April letzten Jahres die Büroflächen der zweiten Etage eröffnet haben, hatten wir so gut wie keinen Zulauf“, berichtet Sebastian. Doch dann merken die Gründer: Ein neues Wording muss her, denn viele wissen schlicht nicht, was ein Coworking Space ist. „Wir haben das Ganze dann anders angepriesen und plötzlich wurde das Angebot fast zum Selbstläufer. Auch wir müssen immer etwas Neues dazulernen, uns mit neuen Thematiken beschäftigen, uns einlesen und neu vernetzen – das macht es so spannend!“ Mittlerweile gibt es einen zweiten und dritten Coworking Standort in Hameln und Stralsund, in Hildesheim ist im Dezember 2019 ein weiterer eröffnet worden und war kurz darauf komplett ausgebucht – dank jeder Menge Learning-by-Doing. Im Dezember diesen Jahres wird dann der dritte Standort der Orangery auf dem Gelände der früheren Mackensenkaserne in der Oststadt eröffnet. Zehn Mitarbeiter arbeiten für die Orangery und die drei Gründer sind dabei, Prozesse immer weiter zu optimieren, damit auch die, die nicht vor Ort in Hildesheim sind, sondern sich zum Beispiel um den Coworking Space in Hameln oder Stralsund kümmern, immer auf dem Laufenden sind.

Neue (An-)Triebe

Bei Hameln, Stralsund und Hildesheim soll es übrigens nicht bleiben. Sebastian, Dominik und Jakob haben schon viele weitere Standorte ins Auge gefasst. „Bedarf gibt es überall in Niedersachsen – da wollen wir natürlich tun, was wir können“, verspricht Sebastian. Umso schöner ist es, dass Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann niedersächsische Startup-Zentren stärker fördern will. Dass das kein leeres Versprechen ist, hat sich schon gezeigt, denn die Orangery hat im Dezember 2019 einen positiven Förderbescheid der NBank erhalten. „Das freut uns natürlich sehr!“, so Dominik. „Viele gute Ideen werden dadurch unterstützt und der Standort Niedersachsen immer weiter gestärkt.“ Mitunter geht es der Orangery nicht nur darum, einzelne Gründende und Unternehmer*innen zu fördern, sondern einem Standort mehr Leben einzuhauchen. „Unser Ziel ist es, neue Szeneviertel entstehen zu lassen!“, verkündet Sebastian stolz. Denn es sind bereits Straßenkünstler engagiert, die beispielsweise die Umgebung der Hildesheimer Nordstadt noch in diesem Jahr verschönern sollen. Die ersten Projekte sind bereits erfolgreich umgesetzt worden. Langfristig träumen die Gründer von rund 50 Standorten. Dominik fasst zusammen: „Überall wollen wir Menschen mit Ideen Räume für deren Entfaltung geben – dazu gehört nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch Expertise und ein entsprechendes Netzwerk!“. Das sei das Wichtigste, denn man müsse nicht alles neu erfinden – oftmals könne man auch einfach von anderen lernen. Inspirationen findet man unter dem Dach der Orangery auf jeden Fall reichlich: Aufstrebende Startups wie Gymbassador beweisen das. „Es ist schön zu sehen, was für Ideen hier entstehen und gedeihen“, freut sich Sebastian. Und wir freuen uns mit und drücken die Daumen, dass überall in Niedersachsen bald solche Gewächshäuser stehen.

 

(Foto Header: Orangery)