Mommyblogger, Helikoptereltern, Angstmacher: Digitalisierung und Social Media können Eltern heutzutage ganz schön verunsichern und unter Druck setzen. Jeder scheint besser zu wissen, was fürs Kind gut ist. Aber worauf kommt es wirklich an? Die motorischen Fähigkeiten von Beginn an zu fördern! Das Oldenburger Startup WilGro hat ein Programm entwickelt, das die neurophysiologischen Entwicklungsphasen von Babys bis zum freien Laufen optimal unterstützt, den Eltern die Angst nimmt und beweist: Lernen macht Spaß – besonders fernab der digitalen Welt.

Oft wird debattiert, inwiefern die Digitalisierung Schuld daran trägt, dass bei Kindern Entwicklungsprobleme diagnostiziert werden. Und tatsächlich: „Es ist nicht zu leugnen, dass kleine Kinder schnell überfordert sind von unserer heutigen Medienwelt“, bestätigt Angela Wilde, Ergotherapeutin und Gründerin von WilGro. „Lernt ein Kind beispielsweise, wie es einen Löffel richtig hält, braucht es dazu gewisse motorische Grundlagen. Und dazu gehört nicht das Bedienen eines Smartphones oder Tablets.“ Doch nicht immer sind die Medien Schuld, geschweige denn die Eltern. Die wollen nämlich meist alles richtig machen, wissen aber oft nicht, mit welchen einfachen Methoden sie die motorische Entwicklung ihrer Kinder fördern können. Woher auch?

Angela weiß wovon sie spricht. Als Ergotherapeutin hat sie hauptsächlich mit Eltern zu tun, bei deren Kindern Auffälligkeiten festgestellt worden sind: Babys wollen nicht krabbeln, sind motorisch unruhig und schreien sehr viel – oder den Kindern fehlen feinmotorische Fähigkeiten, sie haben Leseprobleme oder Sprachschwierigkeiten. „Viele denken, ‚Das wächst sich raus’, aber das trifft nicht auf alles zu“, so Angela. „Man kann natürlich mit Therapien die Symptome behandeln, aber damit wollte ich mich nicht zufrieden geben.“ So entsteht schließlich die Idee zu WilGro, dem Entwicklungskoffer.

Ein Koffer voller Sicherheit

„Die ersten anderthalb Jahre eines Kindes sind enorm wichtig für die Ausbildung seiner motorischen Fähigkeiten und für seine (Selbst-)Wahrnehmung“, erklärt Angela. Ihr ist daher klar: Sie will präventiv statt kurativ arbeiten, denn was in den ersten Lebensjahren versäumt wird, ist im Nachhinein schwer auszugleichen. Herzstück des Entwicklungskoffers ist ein Spieltisch mit Hüftlagerungskissen, das die Babys in Bauchlage dabei unterstützt, sich aktiv gegen die Schwerkraft aufzurichten. „Hierbei werden die Entwicklungskoordination eingeleitet und die notwendigen Körperkontaktpunkte zur Stimulierung des Gehirns angeregt. Dies entwickelt die so wichtige eigene Wahrnehmung für die Körpersymmetrie.“ Auch Angelas Kollegin Daniela Gröger ist vom Ansatz überzeugt. Gemeinsam entwickeln die zwei Frauen die Idee weiter und kommen dabei oft an ihre Grenzen. „Dass unser Aufbau nach und nach eine immer stabilere Basis bei den Kindern erkennen ließ, hat uns allerdings unheimlich motiviert weiterzumachen“, sagt Angela.

Drei Jahre dauert die Entwicklungsarbeit. Heute können Eltern das Bauchlageelement mit altersgerechtem Spielzeug erwerben. Dazu gibt es ein Handbuch, das den Eltern aufzeigt, was wichtig ist, wann sie zum Beispiel welches Spielzeug sinnvoll einsetzen können. „Das Handbuch funktioniert wie ein erklärender Fahrplan und gibt den Eltern jede Menge Sicherheit“, ergänzt Angela. Außerdem haben Angela und Daniela ein Buch veröffentlicht, das erklärt, warum die Bauchlage für die Bewegungsentwicklung von Bedeutung ist.

WilGro Bauchlage
Die Bauchlage unterstütz Babys dabei, sich aktiv gegen die Schwerkraft aufzurichten – ein entscheidender Punkt in der Entwicklungskoordination. (Bild: WilGro)

Effektives Lernen – auf beiden Seiten

„Wenn die Babys den Entwicklungskoffer kaufen könnten, wäre er bereits ausverkauft“, ist sich Angela sicher und lacht. Sowohl Kollegen als auch die Eltern, die den Koffer bereits ausprobiert haben, sind begeistert. Denn sie sehen, wie viel Spaß ihre Kinder beim Lernen haben und wie effektiv er ist. Das Problem: Eltern kommen erst in die Praxen von Ergotherapeuten, wenn schon Probleme aufgetreten sind. Wie bringt man also ein präventives Produkt unter die Mütter und Väter?

„Als Gründer ist man auf seinem Fachgebiet natürlich ein Experte. Wir als Ergotherapeuten haben aber natürlich wenig Ahnung von Marketing“, gibt Angela zu. Hilfe bekommen Sie vom GO! – dem Start-up Zentrum Oldenburg. Vier Monate Intensivcoaching hat WilGro hinter sich. „Das Team um Alexandra Wurm hat uns extrem gut betreut und wir haben wirklich viel gelernt!“, lobt Angela. Viele Marketing-Impulse wollen sie nun umsetzen. Außerdem haben sich über einen Investorenpitch am Ende des Coachings interessante Kontakte ergeben. „Bisher haben wir WilGro aus eigener Kraft, mithilfe von Freunden und Familie sowie durch unsere Praxis finanziert. Gerade befinden wir uns aber in Gesprächen mit einem potenziellen Investor“, verrät Angela.

„An Herausforderungen muss man wachsen“

Gerade ist also einiges in Bewegung bei WilGro. Unter anderem auch, weil Daniela die Ergo-Praxis bald allein führen wird, während Angela sich voll und ganz WilGro widmet. „So laufen wir nicht Gefahr, dass wir für eine der beiden Aufgaben zu wenig Zeit oder Konzentration haben“, erklärt Angela.

Und ganz egal wie groß die Herausforderungen in der Vermarktung auch werden sollten, Angela freut sich auf sie: „Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass man als Gründer über seinen fachlichen Tellerrand hinausblicken muss. Das mag anfangs schwer sein, doch ich für meinen Teil habe eine große Freude an Herausforderungen entwickelt. Man muss immer dazulernen – das gilt nicht nur für Kinder!“ Das alles wäre aber wahrscheinlich nicht denkbar, wenn die Unterstützung fehlen würde. „In unserer niedersächsischen Heimat haben wir jede Menge Hilfsbereitschaft erfahren! Genau das wollen wir an alle Eltern weitergeben, die sich unsicher sind“, berichtet Angela. Niemand soll sagen müssen: „Hätten wir das mal eher gewusst!“.

Wettbewerbe und Challenges

  • 1. Oldenburger Startup Battle: Sieger
  • Companisto Pitch Night Hannover 2019: 1. Platz

 

(Bild: WilGro)