Hast du schon mal versucht, mit geschlossenen Augen zum nächsten Supermarkt zu gehen, ohne falsch abzubiegen? Gar nicht so einfach – selbst wenn man die Strecke in- und auswendig kennt. Für Blinde und Sehbehinderte ist genau diese Situation Alltag. Doch Gründerin Susan Wache hat mit ihrem Startup feelSpace eine Lösung entwickelt, die blinden Menschen mehr Mobilität, Sicherheit und Freiheit ermöglicht. 

naviGürtel heißt das Produkt des Startups feelSpace aus Osnabrück, und der Name ist mehr als Programm. Denn als Gürtel um den Bauch geschnallt, weist es blinden und sehbehinderten Menschen per Vibration und taktiler Signale die Richtung an und hilft so dabei, sich auf der Straße zu orientieren. 16 Vibrationsmotoren sind dazu in den Gürtel integriert und beim Tragen rund um den Bauch verteilt. Das Prinzip ist denkbar einfach: Vibriert es vorne, ist man auf dem richtigen Weg. Kribbelt es rechts, muss man nach rechts abbiegen. Die Bedienung erfolgt per Sprachsteuerung. Über sie lässt sich der Gürtel per Bluetooth mit dem Smartphone verbinden. Dort kann schließlich auf die zum Gürtel zugehörige App mit Navigationssoftware zugegriffen werden.

Vom wissenschaftlichen Forschungsprojekt zur Unternehmensgründung

Entwickelt hat den naviGürtel das Startup feelSpace rund um Gründerin und Geschäftsführerin Susan Wache. Die Geschichte begann im Jahr 2011 an der Universität Osnabrück. Die dortige neurobiopsychologische Arbeitsgruppe hatte bereits einen Kompassgürtel entwickelt, der per Vibration nach Norden zeigt. Mit ihm wollte das Team herausfinden, ob sich die Orientierung von Menschen ändern kann und sie einen neuen Sinn erlernen können. Nach ihrem Masterstudium der Kognitionswissenschaften stieß Susan zur Forschungsgruppe dazu. „Ich war zunächst Versuchsperson, habe den Gürtel zwei Monate lang durchgängig getragen und war total begeistert“, erzählt sie. Nachdem Susans Kollegin schließlich die ersten Versuche mit Blinden durchgeführt hatte, die den Gürtel gar nicht wieder hergeben wollten, entschied sich Susan mit ihrem Team, die Erkenntnisse des Forschungsprojekts zu einem konkreten Produkt und einem eigenen Unternehmen weiterzuentwickeln. Doch auf dem Weg dorthin musste sie zunächst einige Rückschläge wie abgelehnte Anträge auf Gründungsstipendien hinnehmen. Susan ließ sich nicht entmutigen, erhielt 2015 doch noch das ersehnte Stipendium und schaffte es im selben Jahr, mit Unterstützung von Silke Kärcher und Jessika Meignan ihr Startup zu gründen.

Spin-off-Gründungen als wirtschaftlicher Treiber in Niedersachsen

Damit ist feelSpace ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Spin-off-Gründung – also eine Unternehmensgründung, die aus der Wissenschaft heraus entsteht. Meist sind Forschungsprojekte an Universitäten die Basis für Spin-offs, deren Entdeckungen und Technologien im Zuge der Gründung in die Wirtschaft überführt werden und damit als Motor zur Lösung komplexer Herausforderungen dienen. 28 Hochschulen gibt es allein in Niedersachsen. Somit schlummert ein enormes Potenzial vor Ort, was auch das Land Niedersachsen erkannt hat. Mit Veranstaltungen wie dem Transfer X Summit soll deshalb der Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter gezielt gefördert werden, um zukünftige Transfers und Kooperationen zu erleichtern. Dass das Land mit dieser Strategie bereits auf einem guten Weg ist, zeigen die Zahlen. Immer mehr Gründungen aus der Wissenschaft heraus kann Niedersachsen jährlich verbuchen, wie Wirtschaftsminister Olaf Lies beim vergangenen Transfer X Summit am 6. November in Hannover erwähnte.

feelSpace ist genau dieser Transfer erfolgreich gelungen. So ging es seit der Gründung steil bergauf. Nach nur zwei Jahren war der Navigationsgürtel bereits marktreif, wofür Susan den DurchSTARTerpreis des Landes Niedersachsen erhielt. Heute sind das Produkt und die dazugehörige App ausgiebig von Blinden und Sehbehinderten erprobt. Seit 2019 kann der Gürtel über die Krankenkassen beantragt und bezahlt werden, und das Unternehmen ist auf zehn Mitarbeitende gewachsen. Wie es nun weitergeht? Vor allem mit Marketing und Vertrieb, sagt Susan: „Unser Ziel ist es, dass jeder blinde Mensch in Deutschland den FeelSpace naviGürtel kennt – und hoffentlich bald auch in den Nachbarländern.“