Ob Folien, Getränkeflaschen, Medizinprodukte oder Textilien – Kunststoffmaterialien finden sich überall. Ein Alltag ist ohne sie nicht mehr vorstellbar. Doch Kunststoffabfälle verbleiben für eine lange Zeit und vermüllen unseren Lebensraum. Hier sieht das Team der RITTEC Umwelttechnik GmbH die Krise als Chance – als große Rohstoffchance. Ihre Lösung zur Kreislaufwirtschaft ist Sieger des Next Economy Award 2021. Das Unternehmen forscht, wie Kunststoffe in der wirtschaftlichen Wertstoffkette bleiben und sie sogar bereichern können. Im Interview erklärt Rittec-Gründer Carsten Eichert wie das gelingen kann.

Wie lässt sich Rittec Umwelttechnik beschreiben?

Carsten Eichert: Rittec ist ein Unternehmen aus der Kooperation von Wissenschaft und Unternehmertum. Wir haben ein kontinuierliches Verfahren entwickelt, PET-Kunststoff künftig aus Plastikabfällen zu generieren, statt aus fossilem Rohöl. Durch unser innovatives Verfahren können diese Kunststoffe wieder 1:1 genutzt werden ohne Qualitätsverlust. Das bietet die Möglichkeit, einen vollständigen Ressourcenkreislauf zu realisieren – und dabei 60 Prozent CO2 einzusparen. Diese Einsparung ist sehr groß.

Vollständiger Ressourcenkreislauf, wie geht das?

Carsten Eichert: Bislang kann eine Vielzahl an PET-Verpackungen nicht vollständig recycelt werden. In den Deponien werden die Materialien zwar lebensverlängert, also per Downcycling verarbeitet. Das ist aber kein „nachhaltiger“ Kreislauf. Bei jeder Behandlung gehen unwiderruflich Ressourcen verloren. Genau das Problem lösen wir mit unserer Technik, indem wir die Polymere richtig aufbrechen, bis auf die Moleküle zurückgehen und Material für Produkte in Neuwarenqualität erzeugen. Derzeit entwickeln wir ein industrielles Verfahren, um in hoher kontinuierlicher Geschwindigkeit, anstatt wie bisher üblich in Chargen, zu produzieren. Dieser zeitlich große Unterschied macht das Verfahren für die rohstofferzeugende Industrie auf der ganzen Welt hochinteressant.

 

Rittec-Werk
Durch innovative Technologie leistet Rittec einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des PET-Recyclings. (Bild: Im Auftrag von Rittec: borowiakziehe/Mathias Mensch)

 

Welche Antriebsfedern gab es für die Gründung?

Carsten Eichert: Ich habe 20 Jahre in der Recyclingwirtschaft gearbeitet und interessiere mich dafür, wie man Rohstoffe im Kreislauf führen kann, möglichst hochwertig. Das war und ist mein Antrieb. Wir haben Patente recherchiert und geschaut, was geht. Unsere Erkenntnis: Die Aufbereitungs- und Verwertungsprozesse von PET können technisch deutlich verbessert und effizienter eingesetzt werden. Mittlerweile liefern wir mit unserer patentierten Technologie einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des PET-Recyclings.

Welche Meilensteine gab es in der Umsetzung?

Carsten Eichert: Zunächst haben wir recherchiert und identifiziert wie PET kontinuierlich zu zerlegen ist. Wir haben an der TU Braunschweig in Versuchen herausgefunden, wie es funktioniert. Dann haben wir es mit eigenem Personal und Technikanlage nachvollzogen. Nun steht die Skalierung bevor, indem wir eine Anlage für den wirtschaftlich tragbaren Rahmen bauen.

Was waren Schwierigkeiten?

Carsten Eichert: Technisch hatten wir glücklicherweise keine Schwierigkeiten und die Versuche konnten realisiert werden. Eine Herausforderung war eher die Finanzierung der teuren Anlagentechnik und ist es auch weiterhin.

Was war die größte Panne und der schönste Moment?

Carsten Eichert: Es gab keine Pannen, das ist gut. Herausragend war, als der Versuch tatsächlich klappte. Erst ging zwei Stunden lang nichts, dann änderten wir die Einstellung und plötzlich funktionierte es. Dieser Moment war entscheidend – ein Hochgefühl.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Carsten Eichert: Stolz bin ich auf mein Team, die Menschen, die so motiviert an der Entwicklung arbeiten und ohne die es nicht funktioniert hätte. Die Wissenschaftler der TU Braunschweig des Instituts für chemische und thermische Verfahrenstechnik unter Leitung von Prof. Scholz waren ebenso beteiligt daran, das ist auch zu würdigen.

 

Team von RITTEC Umweltetchnik
Stolz auf das, was sie erreicht haben: Carsten Eichert und das Team von RITTEC Umwelttechnik (Bild: Im Auftrag von Rittec: borowiakziehe/Mathias Mensch)

 

Welches Feedback gab es?

Carsten Eichert: Wir bekommen durchweg positives Feedback aus der Industrie und Politik. Wie anerkannt die Innovation ist, zeigen die Preise, die wir bekommen haben. Kunden, die es anschauen, sind erfreut, dass so etwas geht. Wir bieten zur richtigen Zeit die richtige Technologie, genau das ist so positiv.

Wie wichtig ist Ehrgeiz dabei?

Carsten Eichert: Der Ehrgeiz eine Lösung zu finden, ist gut. Die Vision zu haben und das Selbstbewusstsein an etwas zu glauben, hilft und ist sehr wichtig, der Ansporn es dann zu realisieren auch.

Welche Vorbilder gibt es?

Carsten Eichert: Keine in dem Sinn, denn wir sind die Ersten, die das in dieser Weise realisieren. Ich bin ohne Prägung auf dem Gebiet, aber hungrig und interessiert. Ich komme aus dem Metallbereich und habe mich mit dem Thema Kunststoffverarbeitung und Recycling auseinandergesetzt. Das ist mein Weg.

Welchen Tipp geben Sie Startups, die sich gerade gründen?

Carsten Eichert: Das ist bereits mein achtes Unternehmen, das ich gegründet habe. Hier fließen also die Erfahrungen aus sieben Startups ein. Zu einer Gründung gehört Geduld, eine klare Vision, aber auch Fehler zu machen und vor allem Fehler zuzulassen. Eine Handbreit Liquidität auf dem Konto ist wichtig. Entwickelt euer Startup in Etappen, verbunden mit einer Finanzierung, die an Leistungsmerkmale gebunden ist, um das Risiko für alle Beteiligten zu minimieren! Und noch ein Tipp: Seid offen für Veränderungen der eigenen Vorstellungen und Rahmenbedingungen.

 

Hintergrundinformationen zum Unternehmen:

Rittec Umwelttechnik sitzt in Lüneburg und Braunschweig und wurde 2017 gegründet, um das Verfahren zu entwickeln, PET-Kunststoff aus Plastikabfällen zu generieren. Das Unternehmen hat mittlerweile 17 Beschäftigte und 30 Mitarbeiter*innen im Projekt „revolPET“. revolPET ist ein gefördertes Projektvorhaben, das die Möglichkeit eröffnet, Hochschulen einzubinden. Rittec Umwelttechnik hat die Möglichkeit genutzt und die TU Braunschweig ins Boot geholt.

 

(Bilder: Im Auftrag der RITTEC GmbH borowiakziehe/Mathias Mensch)