Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt, wusste der französische Regisseur François Truffaut. Besser gleich neue Wege gehen und Ideen im eigens gegründeten Unternehmen verwirklichen, das dachten sich auch Schülerin Laura Sophie Wegner und Schüler Joscha Alexander Härtel aus Walsrode. Mit ihrem frisch gegründeten Startup „One.Education“ belegten beide beim nationalen Wettbewerb „StartupTeens“ den vierten Platz. „Entrepreneurship Education“ ist ein Schwerpunkt der niedersächsischen Startup-Strategie. Derzeit existieren rund 700 Schülerfirmen in Niedersachsen, sodass wir die engagierten Akteure von One.Education aus Walsrode gerne näher vorstellen.

Über eine digitale Plattform werden Schüler bundesweit Nachhilfelehrer vermittelt, die selbst noch Schüler sind – das steckt hinter One.Education. Ein Win-Win-Effekt findet Mitgründer Joscha: „Mit unserer Idee bleibt niemand mehr auf der Strecke! Einerseits bringt es finanzielle Vorteile für die lehrenden Schüler, andererseits positive didaktische und soziale Effekte für alle lernenden Schüler.“ 

Ende März 2020, eine Woche nach dem ersten deutschlandweiten Corona-Lockdown, starteten beide ihre Schülerfirma. Genau zur richtigen Zeit finden sie. „Es zeigt sich mehr und mehr, dass unser Schulsystem praktisch wie ein Navigationssystem ist, das nur die Hälfte der Zeit funktioniert. Zwischenzeitlich biegen vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler falsch ab. Sie bekommen erst zu spät mitgeteilt, dass sie sich auf dem falschen Pfad befinden. Wir ersetzen praktisch das Navigationssystem“, beschreibt Mitgründerin Laura den Ausgangspunkt. One.Education soll den Lernenden eine feste Lernstruktur, feste Bezugspunkte, individuelle Lerninhalte sowie schulische und soziale Bezugspersonen geben. „Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass die Meinung junger Bürgerinnen und Bürger mehr gehört und einbezogen wird“, sagt Laura. Beide wissen als Schüler, wovon sie reden. Sie geben schon seit einigen Jahren Nachhilfe, seit der Coronakrise digital über Video-Meetings. Das haben sie auf eine breitere Ebene gestellt. 

Vom Keksebacken zur Bildungsrevolution

One.Education entstand fast schon zu spontan, erinnert sich Joscha: „Laura hatte Kekse gebacken und verteilte sie bei ihrem täglichen Lauf an ihre Freunde. Zwischen uns entwickelte sich dabei ein Gespräch über Online-Nachhilfe-Plattformen nach dem „Schüler-helfen-Schülern“-Modell. Eine Woche später existierte One.Education bereits mit Schüler*innen der oberen Jahrgänge als Lehrer und Schüler*innen jüngerer Jahrgänge, die Nachhilfe suchten.

Hört sich ganz einfach an? Es lief aber nicht ohne Hindernisse – angefangen bei bürokratischen Strukturen, die sie überwinden mussten, um überhaupt als Jugendliche in die Lage zu kommen, ein Unternehmen gründen zu können. „Der jungen Generation obliegt die Gestaltung ihrer Zukunft. Engagement sollte daher nicht ausgebremst, sondern gefördert werden. Meine Eltern mussten zum Beispiel unterschreiben, dass ich in der Lage bin, das Geschäft zu führen“, sagt Joscha. Laura ergänzt: „Wir stehen repräsentativ dafür, wie junge Leute selbst die Initiative ergreifen können.“ 

Beide starteten gleich zu Beginn eine Crowdfunding Kampagne, um an Startkapital zu kommen. „Für die Werbung unserer Crowdfunding-Kampagne haben wir Lesezeichen drucken lassen, die wir in Geschäften ausgelegt haben. Leider waren bald sehr viele Läden wegen Corona geschlossen. Nun können wir noch etwa 1.500 Lesezeichen verschenken. Wer noch eines haben möchte, kann sich gerne bei uns melden“, sagt Laura lachend. 

Eigener Ehrgeiz und große Vorbilder

Ihre Antriebsfeder sehen beide ganz klar in der individuellen Förderung von Schüler*innen, die einen guten Schulabschluss und den Zugang zu vielen beruflichen Perspektiven ermöglicht. „Wir sind ehrgeizig, da es uns am Herzen liegt, das deutsche Bildungssystem zu revolutionieren und jüngeren Schüler*innen den Schulalltag zu erleichtern. Die Schäden der Corona Pandemie im Bildungssystem lösen sich nicht von allein. Ebenso ist es auch nicht möglich, sie nur von Politiker*innen und Lehrenden, ohne Rücksprache mit Schülerinnen und Schülern, beheben zu lassen“, glaubt Laura.

Von den Besten lernen und mehr machen als möglich erscheint, das treibt Laura und Joscha an. Joscha hat Unternehmer Elon Musk zum Vorbild: „Er akzeptiert auch nicht den Status quo und glaubt daran, der Gesellschaft durch seine Ideen einen erheblichen Mehrwert zu bringen.“ Laura begeistert sich für Dapper Dan, einen afroamerikanischen Modedesigner und Ryan Serhant, einen US-amerikanischen Immobilienmakler. „Sie haben auf ihre Art und Weise immer das nächste Level im Blick, lernen von den Besten und erreichen dann unglaubliche Ziele, was Ihnen niemand zugetraut hätte. Das ist auch mein Weg“, beschreibt sie.

Ein Blick in die Zukunft

Zu diesem Mindset passt auch ihr Stipendium für einen Studienplatz an der berühmten Harvard University in den USA. Darauf ist sie sehr stolz, denn ihr Traum geht in Erfüllung. Ab Herbst 2021 wird sie zunächst im Bachelor Wirtschaft studieren, dann einen MBA an der Business School und eine juristische Karriere anpeilen. Die Gesamtkosten für Harvard betragen etwa 83.600 US-Dollar (69.000 Euro) pro Jahr, sie wird mit 42.000 US-Dollar (34.000 Euro) pro Jahr von der Universität gefördert. Auch ihre Eltern unterstützen sie. „Deutsche Institutionen tun sich mit Förderungen hingegen schwer. Das finde ich sehr schade, denn dies hält viele tolle junge Menschen aus Deutschland davon ab, im Ausland zu studieren, was nicht nur positiv für sie selbst, sondern auch für den Standort Deutschland wäre“, findet sie.

Joscha will derweil One.Education weiterführen und das Konzept ausbauen. Dazu plant er nach dem Abitur in 2022 Wirtschaftsinformatik zu studieren und den Einsatz von KI in der Bildung weiterzuentwickeln und zu internationalisieren. „Laura wird immer ein Teil von One.Education bleiben, auch wenn sie sich jetzt rausziehen muss. Momentan befinden wir uns in einer Umbauphase, wobei wir an der Website, an unserer App und einem Podcast arbeiten“, blickt er nach vorne. 

Niedersachsen will Entrepreneurship Education nicht nur als Teil des Wirtschaftsunterrichts, sondern als überfachliches Angebot ökonomischer Bildung in den Schulen etablieren. Fächerübergreifende Fähigkeiten wie selbstständiges, kreatives Denken und proaktives, verantwortungsvolles Handeln sollen damit gefördert werden. Genau das ist es, was Laura und Joscha sich selbst erschlossen haben, um One.Education zu gründen und nun brauchen, um ihr Startup weiterzuentwickeln. Wir drücken die Daumen!