Eine künstliche Intelligenz, die das Wohlergehen von Nutztieren nachhaltig verbessert? Genau das hat Norman Caspari mit seinem Team vom Startup VetVise geschaffen. Sein Erfolgsrezept: Wertschätzung für Menschen und Tiere, ein klares unternehmerisches Ziel und diverse Fördermaßnahmen für Startups, die den Weg ein Stück weit geebnet haben.
„Mein Ziel war schon immer klar – ich wollte mich selbstständig machen“, erklärt Norman. „Aber mit meiner Leidenschaft für den Pferdesport ist es schwierig, wirklich nachhaltig Geld zu verdienen. Also brauchte ich eine Alternative.“ Die ersten Anläufe waren eine Hundephysio-App und eine Telemedizin-App für Haustiere. Beides waren gute und erfolgversprechende Ansätze. Doch als lukrativster Business Case stellte sich die Idee heraus, die Telemedizin auf Schweine und Geflügel auszuweiten. Unterstützt werden die Projekte bis heute von der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Tiere kennen ihre eigenen Bedürfnisse am besten
Das Prinzip ist denkbar einfach: Kameras überwachen rund um die Uhr den Stall und beobachten das Verhalten der Tiere, zum Beispiel, wo genau im Stall sie sich aufhalten. Die beobachteten Daten werden schließlich von der selbstentwickelten KI des Startups analysiert und geben unter anderem Aufschluss darüber, ob Tiere krank sind oder das Stallmanagement angepasst werden muss. Die Tiere selbst sind durch ihr natürliches Verhalten und ihre Instinkte dabei der Indikator. Halten sie sich beispielsweise vorwiegend im vorderen Teil des Stalls auf, kann das ein Indiz für eine schlechte Belüftung im hinteren Teil sein. So kann die Umgebung stets optimal an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden, und die KI gibt dafür konkrete Handlungsempfehlungen.
RootCamp, Seedhouse und weitere Fördermaßnahmen
Die Konstellation in Normans Team, das per Gesuch durch die Uni Oldenburg und die Tierärztliche Hochschule Hannover zusammenfand, war wie geschaffen, um ein Startup in genau diesem Bereich zu gründen. Während Norman Physik studiert hatte, sind mit Jakob Wendt zudem ein Informatiker und mit Johannes Schmidt-Mosig ein Tiermediziner an Bord. Im Herbst 2020 war ihre VetVise GmbH schließlich geboren. „Als junges Startup ist es enorm wichtig, ein Geschäftsmodell zu haben, mit dem man sich marktwirtschaftlich behaupten kann“, erzählt Norman. „Dafür muss man eine Menge leisten. Das haben wir mit unseren unterschiedlichen Kompetenzen auch getan, denn wir wollten uns nicht ausschließlich auf finanzielle Hilfen verlassen. Das wäre meiner Meinung nach der falsche Weg gewesen. Dennoch bin ich sehr froh, in der gesamten Zeit so viel Unterstützung durch Fördermaßnahmen und unser Netzwerk bekommen zu haben.“ Allen voran lieferte das EXIST-Gründungsstipendium wichtige finanzielle Mittel zur Gründung. „Das Geld hat uns sehr geholfen, unser Startup und unsere Technologie voranzubringen.“ Um langfristig auf eigenen Beinen zu stehen, stand für das Team jedoch stets im Fokus, ihre Arbeit kontinuierlich zu professionalisieren und zu monetarisieren. Im RootCamp Hannover, das Startups dabei unterstützt, ihre Markteinführung zu beschleunigen, bekamen sie dazu die Möglichkeit. „Wir haben dort sechs Monate am Programm teilgenommen und sehr viel Coaching erhalten, wodurch wir das ganze Business-Handwerk gelernt haben. Da ging es um Finanzpläne, Personalmanagement, Marketing und vieles mehr.“ Auch eine kleine Bürofläche im RootCamp konnte VetVise dank der Teilnahme nutzen.
2022 entschied das Land Niedersachsen schließlich, die sogenannten Hightech-Inkubatoren (HTI) an acht Standorten in Niedersachsen mit 35 Millionen Euro zu fördern. HTI unterstützen junge Menschen an Universitäten und Forschungseinrichtungen dabei, ihre technologisch zukunftsträchtigen Ideen in Geschäftsmodelle umzuwandeln und so neue Arbeitsplätze für das Land zu schaffen. Auch darauf bewarb sich VetVise, erhielt weitere finanzielle Unterstützung zur Weiterentwicklung ihrer Produkte und wurde gleichzeitig Teil des Seedhouse. Das Seedhouse in Osnabrück ist einer der acht HTI-Standorte und ein Ökosystem für Gründende, das aus Investoren, Organisationen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft besteht. Für VetVise war dieses Netzwerk ein Türöffner. „Wir haben zum Beispiel die Möglichkeit bekommen, auf Messen und Veranstaltungen zu sprechen und uns zu präsentieren. So konnten wir unsere Bekanntheit steigern und unser Image ausbauen“, erklärt Norman. Zusätzlich bekam sein Startup im Seedhouse und durch das Netzwerk erneut hilfreiche Coachings. Das Programm läuft für VetVise noch bis Ende 2024.
Auf Wachstumskurs
Und dann? „Dann werden wir hoffentlich weiter wachsen, um in unserem Lebensmittelsystem einen Beitrag für mehr Tierwohl zu leisten und die Landwirtschaft effizienter zu gestalten“, sagt Norman. Auf einem guten Weg ist sein Team bereits: „Manchmal sehe ich im Supermarkt schon Produkte von unseren Kunden. Da weiß ich, dass die Tiere ein gutes Leben hatten. Das gibt mir einfach ein gutes Gefühl.“ Zudem hat die LV digital GmbH, eine Tochter der Landwirtschaftsverlag GmbH in Münster, jüngst eine siebenstellige Summe in VetVise investiert. Neben den finanziellen Ressourcen bringt diese Partnerschaft Zugriff auf ein umfassendes Netzwerk in der Agrarbranche mit sich.