Der IP-Transfer von Schutzrechten aus Wissenschaftseinrichtungen an Gründungsteams stellt eine erhebliche Herausforderung dar, die den Innovationsprozess in Deutschland bremst. Eine aktuelle Befragung von 118 Ausgründungen, durchgeführt von Fraunhofer ISI im Rahmen des Projekts „IP-Transfer 3.0 – Neue Wege im IP-Transfer“, zeigt, dass der Weg von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss durchschnittlich 18,4 Monate dauert und oft an mangelnder Transparenz sowie unklaren Verhandlungsprozessen leidet.
Gründerinnen und Gründer, die innovative Ideen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen kommerzialisieren wollen, sehen sich mit verschiedenen strukturellen Hürden konfrontiert. Der Zugang zu den für ihre Start-ups wichtigen Rechten für geistiges Eigentum, den Intellectual Property Rights (IPRs), wird durch komplexe und langwierige Verhandlungen erheblich erschwert. Hinzu kommt, dass viele Wissenschaftseinrichtungen keine standardisierten Verfahren und Modelle für den IP-Transfer haben, was bei Gründungsteams für Unsicherheit sorgt.
Der Rücklauf auf die Gründungteambefragung betrug 118 Start-ups, es wurden aber insgesamt 667 Ausgründungen aus den Jahren 2017 bis 2023 kontaktiert.
Die Ergebnisse sind alarmierend: In den Verhandlungsprozessen, in denen eine Transferstelle, die Rechtsabteilung oder Patentverwertungsagenturen maßgeblich beteiligt waren, wurde deren Rolle als hemmend oder stark hemmend empfunden. Hinzu kommt als Kritikpunkt die meist sehr lange Zeitspanne zwischen Erstgespräch und endgültigem Vertragsabschluss. Durchschnittlich beträgt der Zeitraum 18,4 Monate, das Spektrum reicht allerdings von drei bis zu 54 Monaten bei den zumeist abgeschlossenen Verhandlungen. Die Verhandlungsprozesse gestalten sich oft nicht nur als langwierig, sondern auch als intransparent und übermäßig komplex. „Es besteht ein deutlicher Reformbedarf, um die häufig institutionsinternen Hürden beim Zugang zu IP für Start-ups zu senken und den Innovationsstandort Deutschland zu stärken“, erklärt Barbara Diehl, Chief Partnership Officer bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND).
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die SPRIND gemeinsam mit 17 Wissenschaftseinrichtungen, dem Stifterverband und Fraunhofer ISI sowie unterstützt von Niedersachsen.next Startup das Projekt „IP-Transfer 3.0“ initiiert und eine Reihe von Werkzeugen entwickelt. Diese sollen den Verhandlungsprozess beschleunigen und transparenter gestalten. Ein zentrales Element ist das sogenannte „Transfer-Taschenmesser“, das Gründungsteams mit einem strukturierten Fragenkatalog zur IP-Situation, einer IP-Scorecard zur vereinfachten Bewertung und einer Reihe von Musterverträgen unterstützt. Die Musterverträge bieten den Gründungsteams erste Anhaltspunkte für Verhandlungen und helfen, die Verhandlungsbasis zu verbessern.
Ergänzend dazu sind SPRIND und Stifterverband im intensiven Austausch mit Fördergebern und politischen Vertretern auf Landes- und Bundesebene, um die Bedeutung eines effizienteren IP-Transfers in den Richtlinien von Förderprogrammen zu verankern. Ein erstes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieser Kriterien ist der Leuchtturmwettbewerb „Startup Factories“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
„Die Ergebnisse unserer Befragung verdeutlichen den dringenden Optimierungsbedarf bei Transferprozessen, um die erheblichen Hürden beim Zugang zu IP für Gründungsteams abzubauen – sowohl an Hochschulen als auch in außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hauptansatzpunkte sind die Reduktion von Komplexität und Zeitdauer, die Professionalisierung und Vereinfachung der Transferprozesse sowie mehr Transparenz durch klare Leitfäden, Regelwerke und Standardverträge“, erklärt Marianne Kulicke, Projektleiterin bei Fraunhofer ISI. Dazu zählen Maßnahmen wie die Schaffung klarer Richtlinien, Prozessleitfäden und die Einführung standardisierter Verfahren, wie sie international beispielsweise bei der ETH Zürich oder dem Imperial College London bereits etabliert sind.
Das Projekt IP-Transfer 3.0 wird in den kommenden Monaten weitere Schritte unternehmen, um den IP-Transfer für Gründungsteams transparenter und zugänglicher zu machen. Im Rahmen von sogenannten Hintergrundgesprächen werden die Erkenntnisse in den Bundesländern vorgestellt und diskutiert, um das Bewusstsein für die Problematik weiter zu schärfen und Veränderungen anzustoßen.