Als Team muss man auf einer Wellenlänge sein. Die Gründer der FiSens GmbH präferieren hier allerdings eine ganz bestimmte – nämlich die des Lichts. Das Startup hat ein kostengünstiges Herstellungsverfahren für anpassbare Glasfasersensoren entwickelt, von denen ein einzelner 30 elektrische Sensoren in der Industrie oder Medizintechnik ersetzen könnte. Wie ein wahres Spektrum an präzisesten Messwerten entsteht? FiSens hat es uns verraten.

Glasfaserkabel verbinden die meisten erst einmal mit Mobilfunkanbietern. Doch die Einsatzmöglichkeiten der Fasern aus Quarzglas oder Kunststoff sind deutlich vielseitiger. Besonders in der Messtechnik hat man ihre Vorzüge schon lange erkannt: Die optischen Fasern leiten Lichtwellen weiter und je nach struktureller Beschaffenheit können Aussagen über verschiedene Messgrößen getroffen werden. 

„Die Idee, Strukturen in Glasfasern für messtechnische Zwecke zu nutzen, gibt es schon seit rund 30 Jahren“, erklärt Philip Gühlke. Zusammen mit Laserphysiker Dr. Christian Waltermann wollte der Wirtschaftsingenieur aber dafür sorgen, dass sich die Idee auch durchsetzt. Bis dato stand jedoch besonders die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsverfahrens im Wege. Also beginnen sie gemeinsam mit einigen Kollegen am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut in Goslar und Prof. Dr. Wolfgang Schade mit der Entwicklung eines vollautomatisierten Herstellungsprozesses.

Das künstliche Nervensystem aus Glas

„Anfangs haben wir uns besonders intensiv mit dem Einsatzfeld der Medizintechnik beschäftigt“, berichtet Christian. Nicht zuletzt, weil die Photonik Inkubator GmbH aus Göttingen das Projekt großzügig unterstützte, und als Förderziel die faseroptische 3D-Navigation von Herzkathetern definiert wurde: Ein noch zu ambitioniertes Ziel, wie sich herausstellte. Dennoch gelingt es dem Forschungsteam, ein robustes und präzises Femtosekundenlaser-Verfahren zu entwickeln, das sogenannte Faser-Bragg-Gitter, das vollautomatisiert in das Innere der Glasfasern schreibt. Diese Gitterstruktur lässt sich je nach Messziel direkt im Kern der Glasfaser individuell verändern, ohne den Mantel der Glasfaser zu beeinträchtigen. Die Sensoren sind somit robust in unterschiedlichsten Umgebungen einsetzbar. Je nachdem mit welchem Umformer sie in eine Umgebung integriert werden, messen sie eigentlich alles, was man sie messen lassen will: Temperaturen, Dehnungen, Drücke, Kräfte, Krümmungen und noch viel mehr. Großer Vorteil: Eine ähnlich erzeugte Gitterstruktur im Kern der Glasfaser ist in der Lage die Lichtinformationen spektral auf einem Bildsensor abzubilden.

 

Glasfaser in der Messung mit Messwerten auf einem Bildschirm
Robuste Faser: Die Glasfasersensoren von FiSens messen präzise alles, was man sie messen lassen will – und die Ergebnisse werden auch sofort sichtbar. (Bild: FiSens)

 

„Mithilfe unseres Verfahrens lässt sich auch das hochauflösende Spektrometer, also die Grundlage für die Auswertung der Daten, schon mit in die Faser integrieren“, erläutert Christian. Das Physiker-Team mit insgesamt über 30 Jahren Erfahrung in der faseroptischen Sensortechnik schafft es also, dass die optischen Informationen der Glasfasersensoren gleich in digitale Daten übersetzt werden.

Komplexes Projekt, effizientes Netzwerk

„Die Entwicklungsarbeit wäre ohne eine gute Vernetzung nicht möglich gewesen“, betont Philip. Entscheidend waren nicht nur die Verbindungen zum Fraunhofer-Institut, dem Photonik-Inkubator oder Professoren wie Gerd Marowsky, die das Projekt entscheidend nach vorne gebracht haben. „Der Finanzierungsbedarf war und ist sehr hoch“, gibt Philip zu bedenken. Bis 2016 förderte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur das Forschungsprojekt. Doch nun galt es, eine Produktionsanlage aufzubauen und das geht natürlich ins Geld. Über ein Jahr suchen die Gründer nach einem passenden Investor, doch die meisten stellen Bedingungen, die den Entwicklern zu einschneidend erscheinen. „Das war ein nervlicher Krimi!“, gibt Christian zu.

Erleichterung bringt unter anderem eine Pitch-Veranstaltung der NBank. Sie legt den Grundstein für das 1,7 Millionen Euro schwere Beteiligungskapital, das den Gründern jetzt zur Verfügung steht, um individuelle Glasfasern für einen breiten Markt zu produzieren. „Wir konnten die NBank und zwei private Investoren von unserer Idee überzeugen“, freut sich Philip, der unter anderem für die Finanzen und das Marketing des Startups zuständig ist. Mit dieser Sicherheit gründen Philip und Christian schließlich die FiSens GmbH zusammen mit ihren ehemaligen Fraunhofer-Kollegen Dr. Jan Koch und Dr. Wolfgang Schippers. „Wir haben auf jeden Fall gelernt, wie wichtig es ist, weiterzumachen!“, sagt Philip. „Vieles ist am Ende doch machbar, selbst dann, wenn es erst einmal nicht so aussieht.“

Die passende Infrastruktur für Messtechnik

Der Hauptinvestor Prof. Strascheg aus München hätte FiSens gern in die Stadt an der Isar geholt. Doch das Startup verlegt seinen Sitz 2018 nur von Goslar nach Braunschweig und bleibt damit Niedersachsen treu. „Ich komme aus Hannover und Philip pendelt familienbedingt nach Berlin“, begründet Christian ihre Entscheidung in Niedersachsen zu bleiben: „Hier haben wir unser Netzwerk, beruflich wie privat. Davon wollen wir uns nicht trennen, weil es uns dorthin gebracht hat, wo wir heute sind.“

An einigen Stellen sind die FiSens-Produkte bereits im Einsatz: In Rotorblättern von Windkraftanlagen messen sie beispielsweise, ob diese optimal im Wind stehen. Anfragen gibt es auch aus der Automobilindustrie, die die Temperatur in Elektromotoren zuverlässig kontrollieren will oder aus dem Bereich der Bahntechnik, wo die Sensoren zuverlässig Gleisabschnitte überwachen können. „Unser Sensorsystem ist elektromagnetisch immun, robust, klein, leicht und günstig – das macht unsere multifunktionalen Lösungen sehr attraktiv“, so Philip. Neben dem Aufbau langfristiger Zulieferer-Beziehungen soll auch der Direktvertrieb ausgebaut werden: Gerade arbeiten die Gründer daran, einen EU-weiten Onlineshop mit Baukastenprinzip aufzubauen. „Schon die Bestellung soll automatisch ablaufen. Unsere Kunden sollen sich ihr Produkt mit nur wenigen Klicks ganz nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen können.“ FiSens dürfte potenziellen Konkurrenten damit bald viele Wellenlängen voraus sein – und das mit Lichtgeschwindigkeit.

 

(Bild Header: FiSens)