In der Medizin wird immer mehr auf Hightech gesetzt. Nur kommuniziert wird meist wie vor 60 Jahren. Nicht nur bei neuen Krankheitsbildern kann ein schneller Informationsfluss Leben retten. Startup-Gründer Robert Musmann hat die Lösung: Mit der App Doctorsgate können Mediziner*innen sich ganz unkompliziert untereinander austauschen – datenschutzkonform und ortsunabhängig.

„Jeder weiß, wie schwer es sein kann, telefonisch einen Termin bei einem Arzt oder bei einer Ärztin zu bekommen“, meint Robert Musmann. „Ärzten geht es ähnlich, wenn sie sich mit einem Kollegen fachlich austauschen wollen. Telefonisch ist das kurzfristig kaum möglich.“ Während seines Medizinstudiums an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) konnte der mittlerweile 27-jährige Niedersachse das mehr als gut beobachten. Bei einem Ausschlag kann das noch gehen, dramatischer sieht es da bei Notfällen oder neuartigen Erkrankungen aus.

Covid-19 macht deutlich: Informationen können Leben retten

Die Ausbreitung von Corona führt Mediziner*innen aus aller Welt vor Augen, wie wichtig ein schneller fachlicher Austausch sein kann. Wie unterscheidet man zuverlässig die Symptome des Virus von denen einer Erkältung? Gibt es Medikamente, die bei Patienten und Patientinnen anschlagen? Wie schnell kann sich das Krankheitsbild verschlechtern? Welche Vorerkrankungen haben Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf und wer zählt zur Risikogruppe? Zu diesen Fragen mussten schnell Antworten gefunden werden – denn sie können über Leben oder Tod entscheiden. „Das geht nur im Team“, weiß Robert. „Und das Team sitzt am besten nicht nur an einem Ort.“

Eine Plattform für medizinischen Austausch entsteht

Also bringt sich der damalige Student 2016 selbst das Programmieren bei und beginnt, einen Code für einen Messenger für Mediziner*innen zu schreiben. Parallel gründet Robert einen medizinischen Beirat und steht im engen Austausch mit seinem Mentor aus Harvard. „Ich habe meine Ideen von denen filtern lassen, die das Fachwissen und die praktischen Erfahrungen haben, die man als Student einfach noch nicht haben kann. Das war unheimlich hilfreich“, betont Robert. Er hat vollsten Respekt vor den bestehenden Arbeitsweisen und will nicht abschaffen, was seit 60 Jahren gut funktioniert. Aber: „Als digital-affiner Mensch denke ich nur, dass man den Austausch noch besser machen kann.“

Doctorsgate ermöglicht Ärztinnen und Ärzten fachlichen Austausch mit der Möglichkeit direkt Bilder und Videos miteinander zu teilen. (Bild: Doctorsgate)

Sichere Umgebung für sensible medizinische Daten

Eine besondere Herausforderung beim Austausch medizinischer Daten: die Datensicherheit. Hier bekommt Robert Hilfe von seiner Schwester. „Sie ist Juristin und hat mir genau erklärt, worauf es ankommt.“ So befinden sich alle Server beispielsweise in Deutschland. 2018 gründet er schließlich Doctorsgate – mithilfe einer App können Mediziner*innen aus allen Fachbereichen seit Ende 2019 unkompliziert und vor allem in einer sicheren IT-Umgebung miteinander kommunizieren und sich gegenseitig unterstützen. Sowohl private Nachrichten als auch Gruppendiskussionen und öffentliche Postings sind möglich. Bilder und Videos werden DSGVO-konform verschickt, es gibt digitale Patienteneinwilligungen, automatische Löschungsprozesse, die Möglichkeit, Bilder zu bearbeiten und zu anonymisieren – jede Veröffentlichung wird vorab geprüft, User hinter Profilen verifiziert.

Der Gründungsspirit liegt ihm im Blut

Aus neun Personen besteht mittlerweile das Doctorsgate-Team, darunter zwei Webentwickler und Fachleute für Marketing und PR. Wer Kommunikation verkauft, sollte auch kommunizieren können. Das Wissen, was alles für die Gründung eines Startups von Bedeutung ist, bekam Robert in die Wiege gelegt. Denn seine Familie, die seit Jahrzehnten im niedersächsischen Hameln beheimatet ist, rief schon diverse erfolgreiche mittelständische Unternehmen ins Leben. Die Unternehmensgruppe half anfangs auch bei der Finanzierung des Startups. 2018 erhält Robert eine Innovationsförderung über die NBank und mittlerweile ist Doctorsgate Teil der Gesellschaft Universitätsmedizin Neumarkt a. M. Campus Hamburg (UMCH). „Wir arbeiten sowohl in Niedersachsen als auch in Hamburg, beide Standorte stehen im engen Austausch“, erklärt Robert.

Eine Plattform, die Wissen und schnellen Fachaustausch zwischen ganz unterschiedlichen medizinischen Bereichen ermöglicht. (Bild: Doctorsgate)

„Zu Anfang war einfach alles herausfordernd!“

Wenn man Robert fragt, wie er es mit seiner Idee so weit geschafft hat, fallen ihm mehrere Gründe ein. Das Know-how des familiären Umfelds habe sicher dazu beigetragen, ebenso wie das wertvolle fachliche Feedback seines kollegialen Umfelds und seiner Mentor*innen. Eines ist aus seiner Sicht aber essenziell: „Zu Anfang war einfach alles herausfordernd!“, gibt er ehrlich zu. „Und auch heute läuft nicht immer alles von selbst. Aber man lernt, dass es hilft, weiter daran zu arbeiten und Unerwartetes nicht als Hindernis, sondern als Chance zu begreifen.“ Diese Disziplin musste Robert sich erst erarbeiten, strukturierte sich im dritten Studienjahr so konsequent um, dass er gleichermaßen erfolgreich an Studium und Gründungsidee arbeiten konnte. Das zahlt sich aus: In diesem Jahr hat er sein Examen bestanden.

„Mit der richtigen Einstellung merkt man, dass man von Tag zu Tag seinen Zielen immer näherkommt. Der Trick ist, sich realistische Ziele zu setzen und nicht zu viel zu grübeln“, rät der Gründer. Zu guter Letzt kam es ihm zugute, in Niedersachsen zu gründen: „Die NBank und das Innovationszentrum Niedersachsen leisten wirklich gute Arbeit, wenn es um die Unterstützung von Gründungen geht! Noch dazu haben wir in Niedersachsen eine super Infrastruktur, jede Menge gute Arbeitskräfte und – für mich entscheidend – medizinische Kompetenzzentren in Hannover und Göttingen“.

Erfolgsrezept: Flexibilität und geteiltes Wissen

Aktuell arbeiten er und sein Team daran, Plattformen zum Austausch der Mitarbeitenden in einzelnen Krankenhäusern zu ermöglichen. „Krankenhäuser können so ihre interne Kommunikation deutlich verbessern und gleichzeitig auf das ortsunabhängige und kostenfreie Diskussions-Netzwerk von Doctorsgate zugreifen“, sagt Robert. Zwei weitere Projekte stecken in der Pipeline. „Ein Startup ist immer in der Bringschuld“, sagt er. „Es muss sich am Markt beweisen. Dazu gehört auch, die ursprüngliche Idee immer weiterzudenken ­und sich Hilfe zu holen, wenn man selbst nicht weiterkommt – wie in der Medizin.“

(Bild Header: Doctorsgate)