Digitale Wirtschaft trifft auf Social Entrepreneurship: Die Gründer*innen Jennifer und Hendrik Lind haben mitten in Niedersachsen die Matching-Plattform TrostHelden, ein sozial-innovatives Startup, entwickelt. Dort werden trauernde Menschen mit anderen Trauernden zusammengebracht, um einander zu unterstützen.

In Zeiten von Corona ist soziale Distanz für viele ein notwendiges Übel. Schon davor setzte sich jedoch der Trend des Social Distancing durch den Aufstieg der Sozialen Netzwerke immer mehr durch. Zwar hat Social Media soziale Interaktionen an sich deutlich leichter, flexibler und bequemer gemacht, jedoch haben solche Interaktionen auch ihre Grenzen. Das menschliche Bedürfnis nach direktem persönlichen Kontakt, einem aufmunternden Schulterklopfer oder einer Umarmung, können so nicht gedeckt werden.  

Für Menschen, die schwere Schicksalsschläge erlitten haben, ist die Situation nicht auszuhalten. Sie haben teilweise niemanden, an den sie sich wenden können, niemanden, der sie wirklich versteht, keine Hilfsangebote, die ihnen zusagen. Sie fressen ihre Trauer und Emotionen in sich hinein und erkennen sich kaum selbst wieder: Wenn ein Schicksalsschlag eintritt, dann ist auf einmal etwas in uns, dass sich neben der Traurigkeit fremd und unheimlich anfühlt. Es fühlt sich an, als wäre ein neuer Chef im Hause eingezogen, der Taktgeber ist und über Handlungsfähigkeit und Starre bestimmt,“ meint Hendrik Lind. Ein aktiver Abschied und normale Bestattungen sind in Corona-Zeiten schon gar nicht möglich. Das unterstützt Trauernde jedoch dabei, ihren Verlust besser zu verarbeiten. In der Konsequenz wird oftmals die seelische und psychische Gesundheit der Betroffenen stark beeinträchtigt. „Nicht zu vergessen die Minderung der Erwerbstätigkeit und hohe Kosten durch Fehltage von Trauernden für Arbeitgeber und Krankenkassen“, ergänzt Jennifer Lind die Ausgangssituation.  

Trauer enttabuisieren und Trost spenden

Mit der Matching-Methode TrostHelden“ haben sich die beiden Gründenden ein Konzept überlegt, das die Trauerbewältigung revolutionieren könnte. Jennifer und Hendrik möchten den Trauernden eine moderne, digitale Alternative bieten – eine ganz neue Art der Hilfe. Vorstellen kann man sich das Ganze wie ein soziales Netzwerk oder eine Trauerpartner*innen-Vermittlung. Basierend auf einem Profil mit Angaben zum persönlichen Schicksalsschlag, Lebensumständen und Trauerbewältigungsprozess schlägt ein Algorithmus Trauerpartner*innen vor. Dadurch erhalten Betroffene die Möglichkeit, einen individuellen Kontakt zu anderen Trauernden aufzubauen. Denn für die Trauerbewältigung ist es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, Leute mit Verständnis und Empathie für die eigene Situation zu haben und das Leid zu teilen. 

Auf die Idee für die TrostHelden kamen Hendrik und Jennifer bei ihrer vorherigen Arbeit für die mapapu GbR. Im Rahmen ihrer Arbeit hatten sie bereits damals intensiven Kontakt zu ungefähr 7000 Trostsuchenden. Damals bastelten sie mit den Betroffenen mapapus, das sind Kuscheltiere aus den persönlichen Gegenständen von Verstorbenen, die Trost spenden sollen. Dabei erlebten sie aus nächster Nähe, welchen Unterschied es macht, jemanden zu haben, der einen versteht. Sie erhielten so die Inspiration für die Trosthelden. Bei solch einem emotionalen Thema war die Umsetzung allerdings nicht ganz so leicht. Aus diesem Grund konsultierten sie Fachleute aus Trauerbegleitung, Trauerforschung und Psychologie. Zusammen haben die Experten allein fast 100 Jahre Erfahrung in der Hospiz- und Trauerhilfe. Und für das Matching mit dem Fragebogen konnten wir eine der besten Spezialistinnen Deutschlands gewinnen, berichtet Jennifer Lind.

Neben individueller Hilfe wollen Jennifer und Hendrik mit ihrem Startup vor allem einen Beitrag zur Bekämpfung einer gesellschaftlich relevanten Problemstellung leisten: Trauer und Tod hat sich zu einem Tabuthema entwickelt. Vorbei sind die Zeiten starker Gemeinschaften und sozialer Geflechte, die einem Halt geben. Das spiegelt sich auch in Zahlen wieder: Von drei Millionen Neutrauernden pro Jahr entwickeln 121.000 eine Trauerstörung, das entspricht ungefähr fünf Prozent, Tendenz steigend. Eine höhere mediale und politische Präsenz könnte dem entgegenwirken,“ erklärt Hendrik Lind. 

Abgesehen vom Wunsch nach mehr medialer und gesellschaftlicher Aufmerksamkeit haben die Linds die Vision, mit den TrostHelden mehr Mitmenschlichkeit zu erschaffen und Betroffene mit lebenslangen Partnerschaften wieder handlungsfähig zu machen. Passend dazu wurde der Name TrostHelden“ gewählt. Von den Trostsuchenden ist es äußerst heldenhaft, wenn sie es schaffen, sich Hilfe zur Selbsthilfe zu suchen und sich zurück ins Leben zu kämpfen. Hinzu kommt, dass sie für andere zum Helden werden können, indem sie ihnen ein Licht im Dunkeln sind.  

So viel Gutes zu tun und andere zu unterstützen, färbt auch auf einen persönlich ab. Diese Arbeit mit Trauernden und für Trauernde ist sehr besonders, sehr erfüllend, erzählt Hendrik. Mir macht es Freude, etwas in diesem Bereich zu bewegen, ergänzt Jennifer. Die große Menge an Lebensfreude, die von den Trostsuchenden ausgeht, habe beide überrascht. Letztendlich müsse man akzeptieren, dass das Leben und der Tod zusammengehören und jeden Tag leben und genießen, sind sie sich einig.

(Bild: TrostHelden)